Heute habe ich für euch den letzten Teil meines diesjährigen Adventskalenders. Es ist überraschend, wie schnell die Zeit mal wieder vergangen ist.
Ich hoffe, diese kleine Geschichte hat euch die Vorweihnachtszeit ein wenig versüßt. Vielleicht möchte der eine oder andere von euch ja seine Meinung dazu teilen?
Nun wünschte ich euch erholsame Feiertage und ein schönes Weihnachtsfest, das wohl leider in diesem Jahr nicht weiß werden wird. Macht es euch trotzdem schön und genießt die Tage!
Heute ist der vierundzwanzigste Dezember. Heute ist Heiligabend. Heute soll es das Fest der Liebe werden.
Heute verlasse ich ihn.
Wieder sind ein paar Tage ins Land gezogen. Vorgestern hat Mel mit ihren Eltern gesprochen – hat ihnen Rileys Situation erklärt und sie um Hilfe gebeten. Ihre Eltern waren zunächst ebenso ratlos wie wir, aber sie haben versprochen zu helfen. Es sind nette Leute. Keine von der Sorte, die der Meinung sind, das Leid der Welt gehe sie nichts an und sie bräuchten nur vor ihrer eigenen Tür zu kehren. Sie interessieren sich auch für das, was hinter ihrem Tellerrand liegt. Und mit Riley haben sie sich, als er Mel das erste Mal bei ihr besucht hat, sofort verstanden.
[Adventskalender] 23. Türchen
Montag, 23. Dezember 2013 |
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Es fasziniert mich immer wieder aufs Neue, was die Zeit einem bringen kann und wie schnell sie vergeht. Viele Menschen eilen über den Weihnachtsmarkt, der in diesem Jahr auf dem zweiten, kleineren Marktplatz in der Stadt aufgebaut ist. Sie hetzen von einem Stand zum nächsten, trinken Glühwein, essen Crêpes und Mandeln und kaufen Weihnachtsgeschenke, während die Kinder jeden Sitz auf dem bunten Karussell ausprobieren.
Und zwischen all den Menschen, die diesen Stress als weihnachtliche Besinnlichkeit verstanden haben, stehen an diesem Tag zwei junge Menschen, die sich nun endlich der Wahrheit verschrieben haben.
Es ist nun eine Woche her, seit Mel und Riley in dem kleinen Café saßen und einen ersten vorsichtigen Kontakt gewagt haben. Seitdem haben sie sich mehrmals getroffen – in der Schule und noch öfter danach. Ich habe sie nicht immer begleitet. Manchmal hat es mir gereicht, in den späteren Abendstunden einen glücklich lächelnden Riley nach Hause kommen zu sehen. Wer nicht erkennt, dass ihm die Treffen mit Mel guttun, ist eindeutig blind.
Und zwischen all den Menschen, die diesen Stress als weihnachtliche Besinnlichkeit verstanden haben, stehen an diesem Tag zwei junge Menschen, die sich nun endlich der Wahrheit verschrieben haben.
Es ist nun eine Woche her, seit Mel und Riley in dem kleinen Café saßen und einen ersten vorsichtigen Kontakt gewagt haben. Seitdem haben sie sich mehrmals getroffen – in der Schule und noch öfter danach. Ich habe sie nicht immer begleitet. Manchmal hat es mir gereicht, in den späteren Abendstunden einen glücklich lächelnden Riley nach Hause kommen zu sehen. Wer nicht erkennt, dass ihm die Treffen mit Mel guttun, ist eindeutig blind.
[DIY] Origami-Tannenbaum
Sonntag, 22. Dezember 2013 |
2 Kommentare
Wer die Facebook-Seite von "Pergamentfalter" verfolgt, wird diese Tannenbäume schon kennen. Auf Wunsch einer lieben Leserin habe ich heute das erste DIY dieses Blogs - die Anleitung für diese Bäumchen. Die DIY's werden auf jeden Fall mit in die Themen dieses Blogs aufgenommen, allerdings weiß ich noch nicht, wie oft ich welche poste :)
[Adventskalender] 22. Türchen
Sonntag, 22. Dezember 2013 |
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Mel hat ein Café direkt am Markt ausgesucht. Es ist klein mit mehreren lauschigen Sitzecken im hinteren Teil – kleine Tische mit Stühlen, die durch geschicktes Platzieren von großen Pflanzen und braunen Holztrennwänden von den anderen Plätzen getrennt wurden. Im vorderen Teil finden neben dem Tresen noch ein paar Tische Platz, die jedoch nicht voneinander getrennt sind.
Glücklicherweise ist es keines der Cafés, in denen Riley Schutz vor der Kälte gesucht hat. Die beiden Kellner werfen uns freundliche Blicke zu, einer grüßt, beide bleiben am Tresen stehen. Zielsicher führt Mel uns zu einer der kleinen Sitzecke. Sie und Riley lassen sich auf die Stühle sinken, ich bleibe neben einer Zimmerpalme stehen, die diesen Tisch vor seinem Nachbarn verbirgt. Einer der Kellner hat sich nun doch von dem Tresen gelöst und kommt zu den beiden. Mel bestellt einen Kaffee, Riley nach kurzem Zögern auch. Ich weiß nicht einmal, ob er überhaupt Kaffee trinkt. Seinem Blick, als der Kellner schon nach kurzer Zeit die beiden heißen Tassen bringt und vor ihnen abstellt, nach zu urteilen, weiß er es auch nicht so genau. Vielleicht hat er sich einfach nicht getraut, etwas anderes zu bestellen, wenn er schon auf Kosten anderer etwas bestellen soll.
Glücklicherweise ist es keines der Cafés, in denen Riley Schutz vor der Kälte gesucht hat. Die beiden Kellner werfen uns freundliche Blicke zu, einer grüßt, beide bleiben am Tresen stehen. Zielsicher führt Mel uns zu einer der kleinen Sitzecke. Sie und Riley lassen sich auf die Stühle sinken, ich bleibe neben einer Zimmerpalme stehen, die diesen Tisch vor seinem Nachbarn verbirgt. Einer der Kellner hat sich nun doch von dem Tresen gelöst und kommt zu den beiden. Mel bestellt einen Kaffee, Riley nach kurzem Zögern auch. Ich weiß nicht einmal, ob er überhaupt Kaffee trinkt. Seinem Blick, als der Kellner schon nach kurzer Zeit die beiden heißen Tassen bringt und vor ihnen abstellt, nach zu urteilen, weiß er es auch nicht so genau. Vielleicht hat er sich einfach nicht getraut, etwas anderes zu bestellen, wenn er schon auf Kosten anderer etwas bestellen soll.
[Adventskalender] 21. Türchen
Samstag, 21. Dezember 2013 |
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Am nächsten Tag schläft Riley länger als gewöhnlich, steht erst gegen halb elf auf. Das Frühstück fällt aus – vermutlich eher aus Geldnot als aus Mangel an Hunger, aber was soll ich dagegen schon machen? Es tut mir leid, dass er hungern muss, aber Geld herbeizaubern kann ich nicht. Vielleicht könnte ich mit etwas Mühe Scheine und Münzen aus Schnee und Eis basteln, aber ich bezweifle stark, dass ihm das helfen würde. Lange halten würden diese Provisorien jedenfalls nicht. Einen neuen Job habe ich für ihn auch nicht. Jedenfalls nichts, was für jemanden in seinem Alter geeignet ist. Vermutlich könnte er in irgendeiner abgelegenen Kneipe eine Anstellung bekommen, aber ich fürchte, dann würde er wieder endgültig in seinen alten Trott fallen – vielleicht sogar wieder Anschluss an seine alte Clique suchen – und das will ich auf keinen Fall.
Erstes (und bestes) Weihnachtsgeschenk!
Freitag, 20. Dezember 2013 |
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Es ist noch gar nicht so lange her, da habe ich euch geschrieben, dass ich mich bei "Blogger schreiben Geschichte" mit zu den Gewinnern zählen kann. Glauben konnte ich da noch nicht, dass meine Geschichte wirklich gedruckt werden soll, war aber der festen Überzeugung, das würde sich ändern, sobald ich das Buch in Händen hallte.
Ja, war...
Zu meiner Überraschung - die Mitteilung von Blogg dein Buch hatte ich komplett überlesen - lag heute das Buch im Briefkasten. Als ich dann zum ersten Mal meine Geschichte in gedruckter Form sehen konnte, war ich erst mal überwältigt. Das ist ein so tolles Gefühl!
Aber glauben kann ich es trotzdem nicht. Vielleicht gibt sich das in den nächsten Tagen...
Ja, war...
Zu meiner Überraschung - die Mitteilung von Blogg dein Buch hatte ich komplett überlesen - lag heute das Buch im Briefkasten. Als ich dann zum ersten Mal meine Geschichte in gedruckter Form sehen konnte, war ich erst mal überwältigt. Das ist ein so tolles Gefühl!
Aber glauben kann ich es trotzdem nicht. Vielleicht gibt sich das in den nächsten Tagen...
[Adventskalender] 20. Türchen
Freitag, 20. Dezember 2013 |
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Riley hatte Erfolg – bei der Armenspeisung hat er einen warmen Teller Suppe und ein halbes Brötchen dazu bekommen. Es gefiel ihm zwar überhaupt nicht, zwischen all den Obdachlosen zu sitzen und zu essen, aber nachdem er satt war, hatte er wenigstens wieder etwas mehr Farbe im Gesicht.
Aus einem nahen Discounter hat er sich danach trotzdem noch ein abgepacktes Brot geholt. Nur von der Suppe kann schließlich keiner Leben.
Gemeinsam sind wir nun auf dem Heimweg. Die Schneewehen sind wieder fort – jetzt braucht sie immerhin keiner mehr. Wir schweigen, laufen nur nebeneinander her, jeder in seinen Gedanken gefangen. Was Riley denkt, kann ich nur erahnen. Vermutlich geht es um seine Zukunft, vielleicht auch um Mel und ihr Treffen am nächsten Tag. Seitdem ich davon weiß, bete ich, dass es erfolgreich verlaufen wird. Dass Riley sich ihr endlich öffnet und Hilfe zulässt. Es kann wohl kaum so schwer sein, einmal zuzulassen, dass einem geholfen wird.
Aus einem nahen Discounter hat er sich danach trotzdem noch ein abgepacktes Brot geholt. Nur von der Suppe kann schließlich keiner Leben.
Gemeinsam sind wir nun auf dem Heimweg. Die Schneewehen sind wieder fort – jetzt braucht sie immerhin keiner mehr. Wir schweigen, laufen nur nebeneinander her, jeder in seinen Gedanken gefangen. Was Riley denkt, kann ich nur erahnen. Vermutlich geht es um seine Zukunft, vielleicht auch um Mel und ihr Treffen am nächsten Tag. Seitdem ich davon weiß, bete ich, dass es erfolgreich verlaufen wird. Dass Riley sich ihr endlich öffnet und Hilfe zulässt. Es kann wohl kaum so schwer sein, einmal zuzulassen, dass einem geholfen wird.
[Adventskalender] 19. Türchen
Donnerstag, 19. Dezember 2013 |
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Am nächsten Tag begleite ich Riley wieder zur Schule. Seine Augen sind rot gerändert, als hätte er die ganze Nacht nicht geschlafen. Im Unterricht passt er nicht auf, dabei ist seine erste Stunde Geschichte und das schien ihn zu interessieren. Kurz bevor es zur Pause klingelt, kommt der Direktor in den Klassenraum, verkündet, dass er Riley in der Pause in seinem Büro erwartet, und geht wieder. Nicht wenige seiner Klassenkameraden werfen ihm verstohlene Blicke zu – manche mitleidig, der größere Teil belustigt. Sein Lehrer scheint einen Augenblick aus der Bahn geworfen, findet aber schließlich seinen Faden wieder und bringt den Unterricht wie geplant zu Ende.
Auch wenn Riley sich nach dem Pausenklingeln vermutlich beeilen sollte – er tut es nicht. Während die anderen einpacken, starrt er abwechselnd auf die Tafel und aus dem Fenster. Während die anderen den Raum verlassen, packt er langsam seine Sachen zusammen. Als der Lehrer schon verschwunden ist, steht er auf und geht langsamen Schrittes in Richtung Direktorenbüro. Man sieht es ihm nicht an – seine Maske sitzt wieder perfekt – doch ich kann mir denken, dass ihm nicht wohl zumute ist.
Auch wenn Riley sich nach dem Pausenklingeln vermutlich beeilen sollte – er tut es nicht. Während die anderen einpacken, starrt er abwechselnd auf die Tafel und aus dem Fenster. Während die anderen den Raum verlassen, packt er langsam seine Sachen zusammen. Als der Lehrer schon verschwunden ist, steht er auf und geht langsamen Schrittes in Richtung Direktorenbüro. Man sieht es ihm nicht an – seine Maske sitzt wieder perfekt – doch ich kann mir denken, dass ihm nicht wohl zumute ist.
[Adventskalender] 18. Türchen
Mittwoch, 18. Dezember 2013 |
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Ich bin noch einige Zeit bei Riley geblieben, auch wenn er mir keine Beachtung geschenkt hat. Nachdem er das kleine Käsebrot gegessen hat, hat er noch eine Weile Musik gehört, bis er schließlich das Radio ausgeschaltet hat und eingeschlafen ist. Ich habe sein Zimmer trotzdem nicht verlassen. Er erschien mir so verletzlich, so hilflos. In seinem Bett wirkte er verloren, obwohl es eigentlich seiner Größe entspricht. Selbst im Tiefschlaf hat er sich immer wieder hin und her gewälzt. Hat einfach keine Ruhe gefunden. Es hat ihm nicht einmal geholfen, als ich mich zu ihm gesetzt und ihm sanft über die Haare gestrichen habe.
Gegen Mitternacht bin ich gegangen und nun stehe ich – wie so viele Male zuvor – wieder im nächtlichen Park. Es stürmt und aus den sanft fallenden Flocken sind feste Eiskristalle geworden, vor denen sich die meisten zu schützen versuchen. Ich nicht. Mir machen sie es nichts aus.
Der Sturm scheint meinen inneren Zustand widerzuspiegeln. Vermutlich tut er das auch.
Gegen Mitternacht bin ich gegangen und nun stehe ich – wie so viele Male zuvor – wieder im nächtlichen Park. Es stürmt und aus den sanft fallenden Flocken sind feste Eiskristalle geworden, vor denen sich die meisten zu schützen versuchen. Ich nicht. Mir machen sie es nichts aus.
Der Sturm scheint meinen inneren Zustand widerzuspiegeln. Vermutlich tut er das auch.
[Adventskalender] 17. Türchen
Dienstag, 17. Dezember 2013 |
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Mel bleibt noch einige Minute auf der Treppe sitzen. Vielleicht hofft sie, dass Riley wiederkommt, aber er bleibt im Haus. Sie wirkt traurig. Anscheinend hat sie sich mehr von dem Treffen erwartet. Ich auch.
Als sie aufsteht und sich auf den Heimweg macht, entschließe ich mich, nach oben zu Riley zu gehen. Weder die Haustür noch die Wohnungstür sind abgeschlossen, aber selbst wenn, das hätte mich nicht behindert. Leise öffne und schließe ich die Tür. Kurz überlege ich, ob es nicht bessere wäre, anzuklopfen oder zu klingeln oder mich irgendwie anders bemerkbar zu machen, damit er sich nicht erschreckt, aber schließlich entscheide ich mich doch dagegen. Ich möchte nicht, dass er wieder die Maske aufsetzt. Möchte ihn sehen, wie er wirklich ist. Möchte wissen, wie es ihm tatsächlich geht. Eventuell kann ich dann herausfinden, was mit ihm los ist.
Als sie aufsteht und sich auf den Heimweg macht, entschließe ich mich, nach oben zu Riley zu gehen. Weder die Haustür noch die Wohnungstür sind abgeschlossen, aber selbst wenn, das hätte mich nicht behindert. Leise öffne und schließe ich die Tür. Kurz überlege ich, ob es nicht bessere wäre, anzuklopfen oder zu klingeln oder mich irgendwie anders bemerkbar zu machen, damit er sich nicht erschreckt, aber schließlich entscheide ich mich doch dagegen. Ich möchte nicht, dass er wieder die Maske aufsetzt. Möchte ihn sehen, wie er wirklich ist. Möchte wissen, wie es ihm tatsächlich geht. Eventuell kann ich dann herausfinden, was mit ihm los ist.
[Adventskalender] 16. Türchen
Montag, 16. Dezember 2013 |
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Ich hatte recht mit meiner Ahnung: Riley hat sich verändert und das auf keinen Fall zum Positiven.
Heute ist der dritte Tag, an dem mich mein Gefühl, dass mit ihm etwas nicht stimmt, begleitet. Er trinkt immer häufiger – nicht mehr nur abends und nicht mehr nur noch auf der Treppe. Und es wird immer mehr. Erst nur ein oder zwei Flaschen Bier, dann Wodka und anderes Höherprozentiges, aber davon maximal eine halbe Flasche. Ohnehin schon zu viel für so einen jungen Kerl. Zuletzt hat er im Laufe eines Nachmittags und Abends eine ganze Flasche Wodka geleert – die Pappe Orangensaft, von der er ab und zu etwas Saft mit Wodka gemischt hat, war am Ende trotzdem noch fast voll. Ich hatte gehofft, dieses Verhalten wäre nur eine Phase, die sich wieder gibt, aber mittlerweile habe ich die Befürchtung, dass sich Riley direkt in eine Sucht manövriert. Und ich weiß nicht, wie ich ihn davon abhalten soll. Ich habe bereits versucht, mit ihm zu reden, habe ihm erklärt, was für schreckliche Folgen ein hoher Alkoholkonsum haben kann, aber es schien ihn nicht zu interessieren. Er war ebenso unbeteiligt wie sonst auch. Als wäre ihm alles egal.
Heute ist der dritte Tag, an dem mich mein Gefühl, dass mit ihm etwas nicht stimmt, begleitet. Er trinkt immer häufiger – nicht mehr nur abends und nicht mehr nur noch auf der Treppe. Und es wird immer mehr. Erst nur ein oder zwei Flaschen Bier, dann Wodka und anderes Höherprozentiges, aber davon maximal eine halbe Flasche. Ohnehin schon zu viel für so einen jungen Kerl. Zuletzt hat er im Laufe eines Nachmittags und Abends eine ganze Flasche Wodka geleert – die Pappe Orangensaft, von der er ab und zu etwas Saft mit Wodka gemischt hat, war am Ende trotzdem noch fast voll. Ich hatte gehofft, dieses Verhalten wäre nur eine Phase, die sich wieder gibt, aber mittlerweile habe ich die Befürchtung, dass sich Riley direkt in eine Sucht manövriert. Und ich weiß nicht, wie ich ihn davon abhalten soll. Ich habe bereits versucht, mit ihm zu reden, habe ihm erklärt, was für schreckliche Folgen ein hoher Alkoholkonsum haben kann, aber es schien ihn nicht zu interessieren. Er war ebenso unbeteiligt wie sonst auch. Als wäre ihm alles egal.
[Rezension] Rachel Ward: Drowning - Tödliches Element
Sonntag, 15. Dezember 2013 |
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Bildquelle: Carlsen (Pressedownload) |
336 Seiten | 2013 | Carlsen | Deutsch
Original: The Drowning
Übersetzer: Uwe-Michael Gutzschhahn
Reihe: Einzelband
Zur Leseprobe | Weitere Informationen beim Verlag
Rezensionsexemplar
[Adventskalender] 15. Türchen
Sonntag, 15. Dezember 2013 |
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Irgendetwas stimmt mit Riley nicht. Ich meine nicht, dass er sich plötzlich für die Schule interessiert. Dass er seine sogenannten Freunde verloren hat. Dass er mit einem Mal ein Einzelgänger an seiner Schule ist. Dass er zwar seltener auf der Treppe vorm Haus sitzt, aber dafür, wenn er dort ist, richtige Spirituosen und nicht mehr nur Bier trinkt. Dass er seinen Job verloren hat.
Das ist es nicht.
Ich wünschte, ich könnte sagen, was mit ihm los ist, was ihm fehlt. Krank ist er nicht mehr. Es geht ihm besser. Das Fieber ist weg, die Übelkeit und der gelegentliche Husten auch.
Ich vermag nicht zu sagen, was mit ihm nicht stimmt. Ich weiß lediglich, dass es so ist. Dass irgendetwas anders ist.
Vielleicht ist es der Ausdruck in seinen Augen, der seit Neustem getrübt erscheint. Vielleicht sind es seine Bewegungen, die zeitweise schleppend, langsam, schwerfällig erscheinen. Vielleicht hat die Normalität, mit der er auf der Treppe sitzt und trinkt, etwas damit zu tun. Vielleicht liegt es an seiner Maske. Genauer gesagt, an der teilweise fehlenden Maske, die nun wieder perfekt sitzt. Er hat sie repariert, aber ich bin mir nicht sicher, zu welchem Preis.
Das ist es nicht.
Ich wünschte, ich könnte sagen, was mit ihm los ist, was ihm fehlt. Krank ist er nicht mehr. Es geht ihm besser. Das Fieber ist weg, die Übelkeit und der gelegentliche Husten auch.
Ich vermag nicht zu sagen, was mit ihm nicht stimmt. Ich weiß lediglich, dass es so ist. Dass irgendetwas anders ist.
Vielleicht ist es der Ausdruck in seinen Augen, der seit Neustem getrübt erscheint. Vielleicht sind es seine Bewegungen, die zeitweise schleppend, langsam, schwerfällig erscheinen. Vielleicht hat die Normalität, mit der er auf der Treppe sitzt und trinkt, etwas damit zu tun. Vielleicht liegt es an seiner Maske. Genauer gesagt, an der teilweise fehlenden Maske, die nun wieder perfekt sitzt. Er hat sie repariert, aber ich bin mir nicht sicher, zu welchem Preis.
[Adventskalender] 14. Türchen
Samstag, 14. Dezember 2013 |
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In den folgenden zwei Tagen folge ich Riley überall hin, in der Hoffnung, jemanden zu finden, der ihm helfen kann. Die Tage unterscheiden sich kaum von den vorangegangenen. Ich habe das Gefühl, Riley bemüht sich wieder mehr in der Schule. Er zeigt Interesse am Unterricht, macht sogar Hausaufgaben. Von seiner alten Clique wird er dafür zwar verachtet, aber er gibt sich große Mühe, alles so aussehen zu lassen, als wäre es ihm egal. Ist es ihm nicht, aber der Schein zählt. Ein Teil seiner Maske – der verzweifelte Versuch, sie irgendwie wieder vollständig zu schließen. Ob es ihm gelingt, weiß ich nicht. Manchmal wünsche ich es ihm, manchmal bete ich, es würde ihm nicht gelingen. Das eine würde seine Seele vor noch größeren Schmerzen schützen, das andere könnte ihn vielleicht retten. Ich kann unmöglich sagen, ob seine Maske Fluch oder Segen ist. Vermutlich beides zugleich.
[Adventskalender] 13. Türchen
Freitag, 13. Dezember 2013 |
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Nachdem Riley im Schulhaus verschwunden ist, gehe ich wieder in den Park. Ich brauche Zeit. Zum Nachdenken. Zum Pläne schmieden. Zum ruhiger werden. Auf keinen Fall darf ich mich länger von der wachsenden Verzweiflung ablenken lassen. Meine Gedanken müssen sich wieder klären.
Die Sonne hat es endlich einmal geschafft, sich durch die dicke Wolkendecke zu kämpfen. Ich weiß nicht, wann sie zuletzt geschienen hat. Wann ich das letzte Mal das Winterparadies bei Tageslicht bewundern konnte – ich habe keine Ahnung, aber ich bezweifle, dass es diesen Winter schon einmal vorkam. Der Schnee strahlt weiß, vollkommen rein, und Millionen von winzigen Eiskristallen auf den Bäumen glitzern in allen Farben des Regenbogens. Meisen und Spatzen hüpfen über den Schnee, auf einem Ast zwitschert eine Amsel. Es weht ein leiser Wind, nur ein Hauch, der sich anfühlt wie der zarte Kuss der Winterkönigin.
Die Sonne hat es endlich einmal geschafft, sich durch die dicke Wolkendecke zu kämpfen. Ich weiß nicht, wann sie zuletzt geschienen hat. Wann ich das letzte Mal das Winterparadies bei Tageslicht bewundern konnte – ich habe keine Ahnung, aber ich bezweifle, dass es diesen Winter schon einmal vorkam. Der Schnee strahlt weiß, vollkommen rein, und Millionen von winzigen Eiskristallen auf den Bäumen glitzern in allen Farben des Regenbogens. Meisen und Spatzen hüpfen über den Schnee, auf einem Ast zwitschert eine Amsel. Es weht ein leiser Wind, nur ein Hauch, der sich anfühlt wie der zarte Kuss der Winterkönigin.
[Adventskalender] 12. Türchen
Donnerstag, 12. Dezember 2013 |
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Erst drei Tage später wage ich mich wieder in Rileys Nähe. Zuvor habe ich ihn ab und zu aus der Ferne beobachtet, doch nie lange genug, damit er mich bemerken konnte.
Es ist Montag. Riley geht es wieder besser. Noch am Freitag war er in der Apotheke und hat sich etwas gegen Übelkeit und gegen Fieber geben lassen. Ich glaube, es hat ihm geholfen, zumindest was das Physische angeht. Der Rest dagegen sieht zunehmend schlechter aus. Das Wochenende war ruhig für ihn. Er saß nicht auf der Treppe, hat kein Bier getrunken. Eigentlich ein Lichtblick... Er hat sich die ganze Zeit in seinem Zimmer versteckt, lag in seinem Bett, hat so getan, als würde er schlafen, doch ich habe ihn weinen gehört. Sein Vater nicht. Ihn schien nicht zu interessieren, wie es seinem Sohn geht. Er hat nichts bemerkt. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob er Rileys Verschwinden bemerkt hätte, wenn er tatsächlich im Park, im Schnee liegen geblieben wäre.
Es ist Montag. Riley geht es wieder besser. Noch am Freitag war er in der Apotheke und hat sich etwas gegen Übelkeit und gegen Fieber geben lassen. Ich glaube, es hat ihm geholfen, zumindest was das Physische angeht. Der Rest dagegen sieht zunehmend schlechter aus. Das Wochenende war ruhig für ihn. Er saß nicht auf der Treppe, hat kein Bier getrunken. Eigentlich ein Lichtblick... Er hat sich die ganze Zeit in seinem Zimmer versteckt, lag in seinem Bett, hat so getan, als würde er schlafen, doch ich habe ihn weinen gehört. Sein Vater nicht. Ihn schien nicht zu interessieren, wie es seinem Sohn geht. Er hat nichts bemerkt. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob er Rileys Verschwinden bemerkt hätte, wenn er tatsächlich im Park, im Schnee liegen geblieben wäre.
[Adventskalender] 11. Türchen
Mittwoch, 11. Dezember 2013 |
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Ich atme ruhig, nehme die kühle Luft in mich auf, lasse sie durch meinen Körper fließen, atme aus. Es ist ruhig. Der Wind rauscht über uns in den Bäumen, entfernt zwitschern ein paar Meisen, doch ihr Ruf wird allmählich leiser. Sie begeben sich zur Nachtruhe. Es ist jetzt sicher schon dunkel und die Sterne stehen am Himmel. Ich will meine Augen nicht öffnen, um nachzusehen. Will nur weiter diese Atmosphäre genießen.
Meine linke Hand liegt auf Rileys. Ich fühle einen ganz leichten Puls unter seiner kühlen Haut, die noch so glatt wie die eines Kindes ist. Irgendwo ist er auch noch ein Kind. Ein Kind, das in den Körper eines Heranwachsenden, fast schon eines Erwachsenen gezwungen wurde. Als wäre das sein einziges Problem... Wenn er wenigstens den Rückhalt seines Vaters hätte oder Freunde, die ihn unterstützen... Nichts davon hat er. Er ist allein. Muss sich hinter einer Maske verstecken, weil er sich nicht traut, sein wahres Ich zu zeigen. Ein Ich, das ich selbst noch nicht kennenlernen durfte. Vielleicht werde ich es sehen. Bald. Sehr bald.
Meine linke Hand liegt auf Rileys. Ich fühle einen ganz leichten Puls unter seiner kühlen Haut, die noch so glatt wie die eines Kindes ist. Irgendwo ist er auch noch ein Kind. Ein Kind, das in den Körper eines Heranwachsenden, fast schon eines Erwachsenen gezwungen wurde. Als wäre das sein einziges Problem... Wenn er wenigstens den Rückhalt seines Vaters hätte oder Freunde, die ihn unterstützen... Nichts davon hat er. Er ist allein. Muss sich hinter einer Maske verstecken, weil er sich nicht traut, sein wahres Ich zu zeigen. Ein Ich, das ich selbst noch nicht kennenlernen durfte. Vielleicht werde ich es sehen. Bald. Sehr bald.
[Adventskalender] 10. Türchen
Dienstag, 10. Dezember 2013 |
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Riley irrt den ganzen Tag durch die Stadt. In den ersten Stunden, nachdem wir den Schulhof verlassen haben, versuche ich noch, ihn davon zu überzeugen, zum Arzt zu gehen, gebe es aber irgendwann auf. Ich fühle mich, als würde ich mit einer Wand reden. Nicht, dass Riley sonst großartig auf mich reagiert hätte, aber ein gewisses Maß an Reaktionen hat er in letzter Zeit immerhin gezeigt. Die zurückgekehrte Ignoranz macht mich traurig.
Er streift durch die Stadt – ungeachtet der Kälte und der voranschreitenden Zeit. Irgendwann habe ich das Gefühl, jede Straße, jede Gasse, die wir passieren, an diesem Tag schon einmal gesehen zu haben. Ich weiß nicht, ob es Einbildung ist. Eigentlich war ich immer der Meinung, jeder, der krank ist, hätte kaum Kraft und würde es dementsprechend höchstens unter Zwang schaffen, sich lange auf den Beinen zu halten. Doch Riley überzeugt mich von einem Gegenteil. Seine Augen haben noch immer diesen fiebrigen Glanz und er ist blass – gesund ist er also nicht. Das vorhin war kein Anflug von morgendlicher Übelkeit. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ihm viel besser geht als heute Morgen.
Als es ihm letztendlich doch zu kalt zu werden scheint, geht er ab und zu in eines der Geschäfte, die die Straßen säumen. Der Auslage schenkt er keinerlei Beachtung. Er geht lediglich langsamen Schrittes durch die Gänge, ignoriert die irritierten Blicke mancher Verkäuferinnen und verlässt den Laden wieder Dass ihm durch diese kurzen Abstecher tatsächlich wärmer wird, bezweifle ich.
Ihm scheint es ähnlich zu gehen, denn anstatt nach einiger Zeit wieder in einen Laden zu gehen, betritt er ein kleines Café und setzt sich an einen der Tische. Ich rutsche ihm gegenüber auf eine Bank und beobachte ihn. Er stützt die Ellenbogen auf den Tisch und legt das Kinn auf seine Hände. Er starrt mich an und dennoch habe ich das Gefühl, dass er mich nicht sieht. Als wäre ich Luft für ihn.
Es dauert nicht lange, bis ein Kellner auf ihn aufmerksam wird. Als er dienen will, Riley jedoch kein Geld bei sich hat, schickt er ihn fort. Seine Schultern hängen herab, als wir das warme Café verlassen. Riley versucht es noch zwei weitere Male, doch die enden kaum anders.
Er streift durch die Stadt – ungeachtet der Kälte und der voranschreitenden Zeit. Irgendwann habe ich das Gefühl, jede Straße, jede Gasse, die wir passieren, an diesem Tag schon einmal gesehen zu haben. Ich weiß nicht, ob es Einbildung ist. Eigentlich war ich immer der Meinung, jeder, der krank ist, hätte kaum Kraft und würde es dementsprechend höchstens unter Zwang schaffen, sich lange auf den Beinen zu halten. Doch Riley überzeugt mich von einem Gegenteil. Seine Augen haben noch immer diesen fiebrigen Glanz und er ist blass – gesund ist er also nicht. Das vorhin war kein Anflug von morgendlicher Übelkeit. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ihm viel besser geht als heute Morgen.
Als es ihm letztendlich doch zu kalt zu werden scheint, geht er ab und zu in eines der Geschäfte, die die Straßen säumen. Der Auslage schenkt er keinerlei Beachtung. Er geht lediglich langsamen Schrittes durch die Gänge, ignoriert die irritierten Blicke mancher Verkäuferinnen und verlässt den Laden wieder Dass ihm durch diese kurzen Abstecher tatsächlich wärmer wird, bezweifle ich.
Ihm scheint es ähnlich zu gehen, denn anstatt nach einiger Zeit wieder in einen Laden zu gehen, betritt er ein kleines Café und setzt sich an einen der Tische. Ich rutsche ihm gegenüber auf eine Bank und beobachte ihn. Er stützt die Ellenbogen auf den Tisch und legt das Kinn auf seine Hände. Er starrt mich an und dennoch habe ich das Gefühl, dass er mich nicht sieht. Als wäre ich Luft für ihn.
Es dauert nicht lange, bis ein Kellner auf ihn aufmerksam wird. Als er dienen will, Riley jedoch kein Geld bei sich hat, schickt er ihn fort. Seine Schultern hängen herab, als wir das warme Café verlassen. Riley versucht es noch zwei weitere Male, doch die enden kaum anders.
[Adventskalender] 9. Türchen
Montag, 9. Dezember 2013 |
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Es hat längst zum Unterricht geklingelt, doch Riley scheint das nicht zu interessieren. Er hat sich auf eine der kalten, mit Schnee bedeckten Bänke gesetzt, die Beine angezogen und die Arme darum gelegt. Er ist nicht mehr ganz so blass im Gesicht, aber dafür ist er traurig. Dem Blick aus seinen braunen Augen nach fast schon verzweifelt.
Verstehen kann ich ihn. Zwar kenne ich seine Clique kaum, doch das, was ich bisher von ihnen gesehen hat, reicht mir, um mir ein grobes Bild von ihnen zu machen. Riley gehört nicht mehr zu ihnen. Vielleicht ist er ihnen zu „uncool“, zu langweilig. Ich weiß es nicht. Aber als sie vorhin lachend gingen und Riley allein ließen, zogen sie einen Schlussstrich unter eine Freundschaft, die so nie wirklich existiert hat. Ein Stück von seiner Maske – einfach weggebrochen.
Ich setze mich neben ihn, lege ihm meine Hand auf die Schulter, spüre sein zittern. Nur vor Kälte oder doch auch vor Verzweiflung?
„Geh nach Hause, du gehörst ins Bett“, sage ich zu ihm.
Verstehen kann ich ihn. Zwar kenne ich seine Clique kaum, doch das, was ich bisher von ihnen gesehen hat, reicht mir, um mir ein grobes Bild von ihnen zu machen. Riley gehört nicht mehr zu ihnen. Vielleicht ist er ihnen zu „uncool“, zu langweilig. Ich weiß es nicht. Aber als sie vorhin lachend gingen und Riley allein ließen, zogen sie einen Schlussstrich unter eine Freundschaft, die so nie wirklich existiert hat. Ein Stück von seiner Maske – einfach weggebrochen.
Ich setze mich neben ihn, lege ihm meine Hand auf die Schulter, spüre sein zittern. Nur vor Kälte oder doch auch vor Verzweiflung?
„Geh nach Hause, du gehörst ins Bett“, sage ich zu ihm.
[Adventskalender] 8. Türchen
Sonntag, 8. Dezember 2013 |
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Ich bleibe eine ganze Weile in dem Club und als ich den Zigarettenqualm nicht mehr ertragen kann, warte ich draußen. Ich habe das Gefühl, Riley nicht allein lassen zu können. Er wirkte so verletzlich, so schwach. Hilflos. Ein verlorener Junge, den man am liebsten an die Hand nehmen möchte, um ihm einen Ausweg aus all der Misere zu zeigen.
Stunden vergehen. Ich habe es aufgegeben, mir den Kopf darüber zu zerbrechen, wie jemand einen Jugendlichen mitten in der Woche nachts beschäftigen kann. Ob Riley ihn belogen hat? Ob er ihm einfach gesagt hat, er wäre älter oder gehe nicht mehr zur Schule? Eigentlich kann ich mir nicht vorstellen, dass dieser Mann ihn hier beschäftigt, obwohl er die Wahrheit kennt. Obwohl er weiß, wie jung Riley ist und dass er am nächsten Morgen wieder zur Schule muss. Aber wenn ich an den Blick dieses Mannes denke, an seine Ausstrahlung … Vielleicht ist ihm auch einfach egal, wer für ihn arbeitet. Vorstellen kann ich es mir bei ihm.
Stunden vergehen. Ich habe es aufgegeben, mir den Kopf darüber zu zerbrechen, wie jemand einen Jugendlichen mitten in der Woche nachts beschäftigen kann. Ob Riley ihn belogen hat? Ob er ihm einfach gesagt hat, er wäre älter oder gehe nicht mehr zur Schule? Eigentlich kann ich mir nicht vorstellen, dass dieser Mann ihn hier beschäftigt, obwohl er die Wahrheit kennt. Obwohl er weiß, wie jung Riley ist und dass er am nächsten Morgen wieder zur Schule muss. Aber wenn ich an den Blick dieses Mannes denke, an seine Ausstrahlung … Vielleicht ist ihm auch einfach egal, wer für ihn arbeitet. Vorstellen kann ich es mir bei ihm.
[Adventskalender] 7. Türchen
Samstag, 7. Dezember 2013 |
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Wir sitzen lange dort. Es muss schon bald Mitternacht sein, als er aufsteht. Zunächst glaube ich, er geht jetzt nach drinnen – sich aufwärmen und schlafen – doch er nimmt die letzten Stufen der Treppe nach unten und biegt nach links ab, auf einen dunklen Weg mit einem mir unbekannten Ziel. Für einen Moment bleibe ich unschlüssig stehen, dann folge ich ihm.
Ich bleibe einige Schritte hinter ihm; habe das Gefühl, er weiß selbst nicht recht, wo er hin will. Wir lassen die schäbige Straße, in der er wohnt, zurück. Die Gegend, in der wir uns wiederfinden, ist mir unbekannt. Ich kann mich nicht daran erinnern, hier jemals gewesen zu sein. Die Häuser kann ich nicht als hübsch oder ansehnlich bezeichnen. Sie sind schlicht grau mit dunklen Schieferdächern, aber immerhin sind sie nicht kaputt. Die Fenster haben alle noch intakte Scheiben. Müll befindet sich, wo er hingehört – in den dafür vorgesehenen Tonnen.
Ich bleibe einige Schritte hinter ihm; habe das Gefühl, er weiß selbst nicht recht, wo er hin will. Wir lassen die schäbige Straße, in der er wohnt, zurück. Die Gegend, in der wir uns wiederfinden, ist mir unbekannt. Ich kann mich nicht daran erinnern, hier jemals gewesen zu sein. Die Häuser kann ich nicht als hübsch oder ansehnlich bezeichnen. Sie sind schlicht grau mit dunklen Schieferdächern, aber immerhin sind sie nicht kaputt. Die Fenster haben alle noch intakte Scheiben. Müll befindet sich, wo er hingehört – in den dafür vorgesehenen Tonnen.
[Adventskalender] 6. Türchen
Freitag, 6. Dezember 2013 |
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Ich lasse ihn fast den gesamten nächsten Tag alleine. Brauche Zeit zum Nachdenken. Allmählich begreife ich, warum Riley so ist. Warum er sich hinter einer Maske versteckt. Warum er niemanden wirklich an sich heranlässt. Warum er abends mit einem Bier auf der Treppe sitzt, obwohl es eisig kalt ist. Ich verstehe, was ihn dazu treibt. Dass er es nicht mehr aushält in der Wohnung, gemeinsam mit seinem betrunkenen Vater. Allein mit ihm.
Ich gehe durch den Park, genieße den leise rieselnden Schnee, während ich nachdenke. Von Tag zu Tag lerne ich mehr über Riley, aber es hilft mir nicht, herauszufinden, was ich tun soll. Wie ich ihm helfen kann. Er tut mir leid – niemand sollte so einsam sein wie er. Erst recht keiner in seinem Alter. Er ist noch so jung, er braucht Kontakte. Richtige Kontakt, keine Pseudo-Freunde. Ich habe das Gefühl, er musste viel zu schnell erwachsen werden und das Kind in sich begraben, das tief in ihm noch immer ums Überleben kämpft. Das im Moment zum Scheitern verurteilt ist. Ich möchte ihm helfen, ihn retten, aber mir fällt einfach nichts ein, wie ich das schaffen kann. Er ignoriert mich die meiste Zeit. Ich fürchte, es würde nicht einmal etwas bringen, auf ihn einzureden. Vielleicht würde er mir nicht einmal zuhören.
Ich gehe durch den Park, genieße den leise rieselnden Schnee, während ich nachdenke. Von Tag zu Tag lerne ich mehr über Riley, aber es hilft mir nicht, herauszufinden, was ich tun soll. Wie ich ihm helfen kann. Er tut mir leid – niemand sollte so einsam sein wie er. Erst recht keiner in seinem Alter. Er ist noch so jung, er braucht Kontakte. Richtige Kontakt, keine Pseudo-Freunde. Ich habe das Gefühl, er musste viel zu schnell erwachsen werden und das Kind in sich begraben, das tief in ihm noch immer ums Überleben kämpft. Das im Moment zum Scheitern verurteilt ist. Ich möchte ihm helfen, ihn retten, aber mir fällt einfach nichts ein, wie ich das schaffen kann. Er ignoriert mich die meiste Zeit. Ich fürchte, es würde nicht einmal etwas bringen, auf ihn einzureden. Vielleicht würde er mir nicht einmal zuhören.
[Adventskalender] 5. Türchen
Donnerstag, 5. Dezember 2013 |
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Ich bin dort, wie versprochen. Ich stehe auf der anderen Straßenseite und warte auf ihn. Warte, dass er endlich wieder aus dem Haus kommt, nachdem er vor einer guten Stunde nach Hause kam. Ich bin mir sicher, dass er kommen wird. Warum weiß ich nicht, schließlich sitzt er nicht jeden Abend auf der Treppe vor der Tür, aber ich glaube, heute wird er hier sein. Und ich werde auf ihn warten.
Die Straßenlampen sind längst wieder eingeschaltet und winzige Schneeflocken tanzen dem Boden entgegen. Ich beobachte sie dabei; sehe zu, wie sie schweben, von Windstößen erfasst werden, davon treiben und zurückkehren. Es ist ein ewiger Reigen mit unendlich vielen Tänzern, die einer Musik folgen, die nur die wenigsten verstehen. Heute ist es nicht wie vor einiger Zeit im Park. Der Himmel ist verhangen, kein Stern ist zu sehen. Der Wind pfeift um Häuserecken und über Dachspitzen, doch auf Eiszapfen und Schneekristallen vermag er heute kein Lied zu spielen. Es ist still, eigentlich müsste es mir gefallen, aber eine wahre Harmonie mag sich nicht einstellen. Dafür ist es der falsche Ort. Vielleicht vermag ich es auch erst wieder zu hören, wenn ich meine Aufgabe erfüllt habe. Ich weiß es nicht.
Die Straßenlampen sind längst wieder eingeschaltet und winzige Schneeflocken tanzen dem Boden entgegen. Ich beobachte sie dabei; sehe zu, wie sie schweben, von Windstößen erfasst werden, davon treiben und zurückkehren. Es ist ein ewiger Reigen mit unendlich vielen Tänzern, die einer Musik folgen, die nur die wenigsten verstehen. Heute ist es nicht wie vor einiger Zeit im Park. Der Himmel ist verhangen, kein Stern ist zu sehen. Der Wind pfeift um Häuserecken und über Dachspitzen, doch auf Eiszapfen und Schneekristallen vermag er heute kein Lied zu spielen. Es ist still, eigentlich müsste es mir gefallen, aber eine wahre Harmonie mag sich nicht einstellen. Dafür ist es der falsche Ort. Vielleicht vermag ich es auch erst wieder zu hören, wenn ich meine Aufgabe erfüllt habe. Ich weiß es nicht.
[Adventskalender] 4. Türchen
Mittwoch, 4. Dezember 2013 |
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Am nächsten Tag folge ich ihm zur Schule. Er ist erst in den frühen Morgenstunden zurückgekommen – zu Fuß, nicht in dem Auto, das ihn fortbrachte. Den dunklen Schatten unter seinen Augen nach hat er die ganze Nacht nicht geschlafen. Dabei ist es Mittwoch, mitten in der Woche. Mitten in der Schulzeit. Nicht in den Ferien und Freistunden hat er auch keine, wie ich zunächst geglaubt habe. Er geht zur ersten Stunde in die Schule, kommt aber erst nach dem Stundenklingeln dort an. Er ist zu müde, um schnell zu laufen, das sehe ich ihm an. Auf der Treppe zur Schultür stolpert er und strauchelt; kann sich nur im letzten Moment abfangen. Er muss doch gewusst haben, dass er heute in die Schule muss. Warum war er dann die ganze Nacht fort? Ob sein Vater ihm das erlaubt hat?
[Adventskalender] 3. Türchen
Dienstag, 3. Dezember 2013 |
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Einige Tage vergehen, bis ich ihn wiedersehe, und doch habe ich das Gefühl, die Zeit sei beim letzten Mal stehen geblieben; als wäre kein Auto gekommen, dass ihn mitgenommen hat, und als wäre es noch immer die gleiche Nacht. Er sitzt auf der Treppe – wieder nur in der dünnen Jacke, der Jogging-Hose und den Turnschuhen. Nur das Bier fehlt. Abgesehen davon alles, wie vor ein paar Tagen.
Aber das ist falsch. Es stimmt nicht, dass sich nichts verändert hat. Es stimmt nicht, dass alles noch genauso ist wie beim letzten Mal. Er ist nicht mehr der Fremde, den ich beobachtete. Er hat einen Namen und eine Geschichte, von der ich wenigstens ein bisschen weiß.
Der Jugendliche, der ihn vorhin bis vor die Tür begleitete, hat ihn Riley genannt. Riley Stewart. Das ist zumindest der einzige Nachname, der an den Klingeln steht. Er wohnt in diesem Haus, in der dritten Etage, wo beim letzten Mal der Fernseher lief. Er und sein Vater, was aus seiner Mutter geworden ist, weiß ich nicht. Der Rest des Hauses steht leer. Von außen könnte man meinen, niemand wohne mehr hier, so verlassen sieht es aus mit den kaputten Fenstern und all dem Müll.
Aber das ist falsch. Es stimmt nicht, dass sich nichts verändert hat. Es stimmt nicht, dass alles noch genauso ist wie beim letzten Mal. Er ist nicht mehr der Fremde, den ich beobachtete. Er hat einen Namen und eine Geschichte, von der ich wenigstens ein bisschen weiß.
Der Jugendliche, der ihn vorhin bis vor die Tür begleitete, hat ihn Riley genannt. Riley Stewart. Das ist zumindest der einzige Nachname, der an den Klingeln steht. Er wohnt in diesem Haus, in der dritten Etage, wo beim letzten Mal der Fernseher lief. Er und sein Vater, was aus seiner Mutter geworden ist, weiß ich nicht. Der Rest des Hauses steht leer. Von außen könnte man meinen, niemand wohne mehr hier, so verlassen sieht es aus mit den kaputten Fenstern und all dem Müll.
[Adventskalender] 2. Türchen
Montag, 2. Dezember 2013 |
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Er sitzt auf einer verwitterten Treppe, die hinauf zu einer noch verwitterten Holztür hinaufführt. Das Haus, zu dem sie gehört, sieht nicht besser aus. Früher muss es mal von Efeu bewachsen gewesen sein – die Ranken sind fort, aber die dunklen Punkte, an denen sich das Efeu an der Wand festgehalten hat, sind geblieben. Putz bröckelt ab, zwei von fünf Fenstern im Erdgeschoss sind eingeschlagen und notdürftig mit Pappe verschlossen. Nur ganz oben, in der dritten Etage, flackert das bläuliche Licht von einem Fernseher durch die Scheibe. Sonst ist es dunkel. Vor dem Haus und neben der Steintreppe sammelt sich Müll – Tonnen quillen über, Flaschen, volle Tüten und kaputtes Spielzeug liegen verteilt. In den wenigen Zwischenräumen trotzt hohes Unkraut dem Winter. Seltsamerweise hat der Schnee hier nichts bedeckt. Alles ist noch genau so schmutzig wie im Herbst...
[Adventskalender] 1. Türchen
Sonntag, 1. Dezember 2013 |
2 Kommentare
Eigentlich wollte ich in diesem Jahr gar keinen Adventskalender machen.
Und eigentlich habe ich auch gar keine Zeit dafür...
Aber dann hat mich die Idee zu dieser Geschichte erwischt. Eine weihnachtlich-winterliche Geschichte mit 24 kleinen Kapiteln und jeden Tag bis Weihnachten könnte ihr einen neuen Teil dieser Geschichte entdecken.
Ich hoffe, es gefällt euch und der eine oder andere hinterlässt auch mal ein Kommentar. Würde mich über ein paar Rückmeldungen freuen, wie euch der diesjährige Kalender gefällt.
Nun wünsche ich euch erst einmal viel Spaß mit dem ersten Teil der Geschichte und eine wundervolle Vorweihnachtszeit!
Und eigentlich habe ich auch gar keine Zeit dafür...
Aber dann hat mich die Idee zu dieser Geschichte erwischt. Eine weihnachtlich-winterliche Geschichte mit 24 kleinen Kapiteln und jeden Tag bis Weihnachten könnte ihr einen neuen Teil dieser Geschichte entdecken.
Ich hoffe, es gefällt euch und der eine oder andere hinterlässt auch mal ein Kommentar. Würde mich über ein paar Rückmeldungen freuen, wie euch der diesjährige Kalender gefällt.
Nun wünsche ich euch erst einmal viel Spaß mit dem ersten Teil der Geschichte und eine wundervolle Vorweihnachtszeit!