[Rezension] Raik Thorstad: Zenjanischer Lotus

Sonntag, 16. Juni 2013 | Kommentieren
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552 Seiten | 2012 | Incubus | Deutsch

Originalausgabe

Reihe: bisher Einzelband

[Verlag existiert nicht mehr.]

Inhalt

Sothorn ist ein Assassine, ein Meister seines Faches, den der Zenjanische Lotus an seinen Herrn, Stolan von Meerenburg, bindet. Die Droge macht ihn ebenso wie alle anderen Assassine Sundas gefügig, zerstört ihn allerdings auch allmählich von innen. Bisher konnte er dem Zenjanischen Lotus trotzen - so lange, wie noch niemand vor ihm - doch schließlich muss er einsehen, dass es auch mit ihm zu Ende geht.
In dieser Zeit begibt sich ein weiterer Assassine, der Wargssolja Geryim, auf seine Fährte. Zunächst scheint es, als wolle er den zunehmenden körperlichen Verfall Sothorns - bedingt durch die Droge - ausnutzen, doch rasch wird klar, dass Geryim etwas ganz anderes im Sinn hat. Denn in Folge dieser Begegnung bekommt Sothorn die Chance auf ein neues Leben, das seinem alten gar nicht so fremd und doch gänzlich anders ist.
Doch ist er bereit dafür? Und was soll er mit den fremdartigen Gefühlen anfangen, die sich seines Körpers bemächtigen und die ausgerechnet in der Gegenwart eines bestimmten Menschen besonders mächtig erscheinen?

Meine Meinung

"Zenjanischer Lotus" beginnt recht erschreckend: Sothorn löscht eine gesamte Familie aus. Unter den Toten sind auch Kinder. Obgleich diese Szene sehr grausam ist, repräsentiert sie äußerst gut Sothorns Arbeit. Er ist ein Assassine, das Töten ist sein Beruf. Raik Thorstad hätte auch einen Mord an einem einzelnen Mann oder einer einzelnen Frau beschreiben können, doch ich bezweifle, dass diese Szene ebenso repräsentativ gewesen wäre.
In meinen Augen war dieser Abschnitt, abgesehen von einem weiteren Mord, die grausamste Szene. Danach rücken zumindest die Aufträge der Assassines ein klein wenig in den Hintergrund und neben Sothorns Leben wird der Zenjanische Lotus zu einem zentralen Thema. Dennoch beeinflusste dieses erste Kapitel mein Bild von Sothorn nachhaltig und verdeutlichte die Gewissenlosigkeit, mit der jeder Assassine zu leben hat und für die er bestraft wird, sobald er den Klauen des Lotus für einige Zeit entkommen kann, denn niemand, nicht einmal ein Auftragsmörder, kann seine Taten gänzlich verdrängen oder vergessen. Die Vergangenheit holt jeden ein, der einmal nicht unter dem betäubenden Schleier des Zenjanischen Lotus steht.
Eindrucksvoll stellt Raik Thorstad Sothorns Weg dar. Vom Gefangenen des Lotus, über die grausame Zeit der Abstinenz zum Mitglied einer verborgenen Bruderschaft. Gemeinsam mit ihm entdeckt man die Welt, in der er lebt mit ihrer Kultur, ihrer Natur, ihren Menschen und Eigenheiten. Eine Welt, die unserer des Öfteren gar nicht so unähnlich ist. Während der gesamten Geschichte kommt aufgrund unerwarteter Wendungen keine Langeweile auf. Selbst gegen Ende des Buches - wenn man glaubt, zu wissen, wie es enden wird, nachdem man immer wieder überrascht wurde - muss man doch feststellen, dass alles anders kommt. Das Ende kann man erahnen und dennoch wird es gänzlich anders, als man glaubte.
Den Sprachstil in diesem Buch ist einfach nur beeindruckend. Detailreich wird Sothorns Gefühlswelt beschrieben, ohne dabei abgegriffene Standardformulierungen zu verwenden. Vielmehr ist die Sprache äußerst bildlich, selbst verworrene Gefühle und unklare Gedanken sind nachvollziehbar dargestellt. Dadurch war es mir sehr leicht möglich, Sothorn zu verstehen und sein Handeln nachzuvollziehen. Er war mir von Anfang an sympathisch, Auftragsmörder hin oder her.
Insgesamt erscheinen die Figuren sehr lebendig. Insbesondere bedeutende Personen wie Sothorn, Geryim, Janis, Theasa und Enes haben eine ihnen eigene Persönlichkeit mit Stärken, Schwächen und charakteristischen Besonderheiten, die mir sehr gut gefallen haben. Selbst weniger ereignisreiche Perioden dieser Geschichte verlieren aufgrund dieser lebendigen Charaktere nicht ihre Spannung.
In diesem Bezug sollte auch die zentrale Beziehung - wenn man es so nennen möchte - zwischen Sothorn und Geryim Erwähnung finden. Während Sothorn sie anfangs nur auf Hass reduziert, offenbart diese Beziehung im Laufe der Geschichte immer neue Facetten. Manches Mal wollte ich die beiden am liebsten in einen kleinen Raum sperren und sie erst wieder rauslassen, bis sie ihre Differenzen und Sturheit überwunden haben und miteinander reden. Bedauerlicherweise war das natürlich nicht möglich und so musste ich mich gedulden, bis sie es selbst an diesen Punkt geschafft haben. Teilweise erschien es wie ein Katz-und-Maus-Spiel zwischen den beiden, welches die Geschichte immer wieder von Neuem antrieb, sodass es bei weitem nie eintönig wurde.
Einen einzigen winzigen Kritikpunkt habe ich: Manches Mal fehlte ein Buchstabe oder ein Wort war statt im Singular im Plural oder es gab einen Buchstabendreher. Aber das war nicht weiter dramatisch und man konnte problemlos darüber hinweglesen.

Fazit

Das Buch ist in einem bemerkenswerten Stil geschrieben. Überzeugt hat es mich auf ganzer Linie. Inhaltliche Schwachstellen habe ich nicht entdecken können, stattdessen gibt es umso mehr Stärken. Demzufolge gibt es von mir eine klare Kaufempfehlung, wobei man sich von Anfang an darüber im Klaren sein sollte, dass es sich hierbei um ein Buch handelt, das Homosexualität thematisiert.
Aber eigentlich sollte das heute ja kein Problem mehr darstellen...

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Klappentext

Sothorn ist der Meisterassassine Sundas.
An ihm werden alle anderen Meuchelmörder gemessen. Er gilt als unbesiegbar. Doch der Schein trügt: Der Zenjanische Lotus hat Sothorn fest in seinem Griff und zerstört ihn Stück für Stück. Innerlich und äußerlich taub geht er seinem Ende entgegen, als sich ein Schatten an seine Fersen heftet. Der geheimnisvolle Wargssolja aus dem hohen Norden legt es darauf an, Sothorn im Kampf zu besiegen. Aber seine Ziele sind ehrenwerter, als man auf den ersten Blick glauben mag.
Eine abenteuerliche Reise beginnt. Von der Finsternis ins Grau der Morgendämmerung, von allumfassender Verlorenheit in die Welt wiedererwachender Emotionen, von innerlicher Leere zu Zuneigung. Und mehr.

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